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Die Schmetterlings-wirtschaft und ihr Anlagepotenzial
Die Bedeutung des Naturkapitals innerhalb der kreislauforientierten Wirtschaft setzt „starke Kräfte“ frei. Portfoliomanagerin Alina Donets, spricht über das Thema und erklärt, warum es eine langfristige Anlagegelegenheit darstellt.
1. Was ist Naturkapital und warum ist es wichtig für die Weltwirtschaft?
Die Natur ist das produktivste Gut unserer Wirtschaft. Über 50 % des Welt-BIP sind derzeit von der Natur abhängig. Das Naturkapital umfasst alle erneuerbaren und nicht erneuerbaren Ressourcen unserer Biosphäre, darunter saubere Luft und sauberes Wasser, fruchtbare Böden und Sedimente, Artenvielfalt und die begrenzten Bodenschätze. Die von der Natur erfüllten Funktionen (wie Bestäubung und Luftfilterung) machen bestimmte wirtschaftliche Prozesse überhaupt erst möglich und schützen sie, indem sie Störungen durch Klimawandel, Stürme, Erosion und Krankheiten vorbeugen. Wir bauen irrsinnig grosse Mengen an Rohstoffen ab und beuten die Natur aus. Zugleich machen wir uns die regenerative Kraft der Natur nicht vollumfänglich zunutze. Die Konsequenz ist, dass die Natur an Wert verliert, was wiederum unsere Wirtschaft und unsere Fähigkeit gefährdet, in Zukunft weiterhin gleichbleibend hohe Renditen erzielen zu können.
2. Was macht das Naturkapital zum Herzstück der Lieferketten der wichtigsten weltweiten Branchen und wie gefährdet die Zerstörung der Natur einige dieser Branchen?
Wir sind in vielen Sektoren direkt und indirekt von der Natur abhängig.
Die 5 Billionen US-Dollar schwere Landwirtschaftsindustrie ist beispielsweise genauso stark von der sich immer rascher verschlechternden Bodenqualität abhängig wie die Forstwirtschaft von den Wäldern, die ebenfalls zurückgehen. In der Pharmaindustrie basieren zwei Drittel der neu entwickelten Arzneimittel auf natürlichen Produkten oder sind an sie angelehnt. Die 9 Billionen US-Dollar schwere Tourismusbranche beruht zu einem grossen Teil auf dem nicht-materiellen Wert der Natur, der bis zu 20 % der Immobilienpreise an touristischen Orten ausmacht.
Bedauerlicherweise sind die derzeitige Rohstoffnutzung und die menschlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten nicht nachhaltig und ihre Folgen tragen zur Zerstörung des Ökosystems bei. Die sich daraus ergebenden Probleme wie Wasserknappheit oder Verschmutzung durch Chemikalien richten grosse wirtschaftliche, soziale und ökologische Schäden an, die alle Aspekte des menschlichen Lebens betreffen.
Die Natur ist das produktivste Gut unserer Wirtschaft, über 50 % des Welt-BIP sind derzeit von der Natur abhängig
3. Wie passt das Naturkapital in die Kreislaufwirtschaft und warum ist es ein eigenständiges Anlagethema und nicht Teil einer breiteren, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Anlagestrategie?
Bei Lombard Odier glauben wir, dass auf der Welt der notwendige Übergang zu einer CLIC™-Wirtschaft, die kreislauforientiert, produktivitätssteigernd, integrativ und sauber ist (CLIC™ = Circular, Lean, Inclusive, Clean), begonnen hat. Die CLIC™-Wirtschaft umfasst den fairen und integrativen Übergang zu einer emissionsneutralen Wirtschaft und beruht in erster Linie auf Naturkapital. Die Transition hin zu einer umweltfreundlicheren CLIC™-Wirtschaft ist bereits im Gange und beschleunigt sich. Naturkapital wird die wichtigste Grundlage der CLIC™-Wirtschaft sein. Unternehmen auf der ganzen Welt erkennen schon jetzt, wie wichtig der Übergang zu einem kreislauforientierten und produktivitätssteigernden Geschäftsmodell ist. Solche Unternehmen, die sich mit den Herausforderungen der kreislauforientierten Bioökonomie und einer produktiveren Industrieform auseinandersetzen, sind inzwischen an den Aktienbörsen zu finden. Und genau wie ihre Wettbewerber in Privatbesitz versuchen sie, Kapital aufzunehmen, um zu innovieren und Lösungen zu erarbeiten. Die wichtigsten Treiber dieser tiefgreifenden Metamorphose unseres linearen Wirtschaftsmodells zu einem neuen, kreislauforientierten Modell sind Wertschöpfung und eine bessere Wirtschaftlichkeit.
Unsere Natural Capital-Strategie ergänzt unsere Climate Transition-Strategie perfekt. Die Mechanismen für den Übergang zur „Schmetterlingswirtschaft“, zur kreislauforientierten Bioökonomie und zur CO2-neutralen Wirtschaft verstärken sich gegenseitig. Für die Umstellung auf eine CO2-neutrale Wirtschaft müssen wir unsere Wirtschaft zuerst mit der Natur in Einklang bringen.
Quellen: 1 Die derzeitigen Ziele der Biodiversitätskonvention sind die sogenannten „Aichi-Ziele“, die bis 2020 erreicht werden sollten. 2 Task Force on Nature-related Financial disclosures (TNFD). Dient nur zur Veranschaulichung. 3 Ellen-MacArthur-Stiftung, Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft (2013). 4 2DS Smith (2019).
5 Nielsen. 6 PwC, „Nature is to big to Fail“ (2020). https://www.pwc.ch/de/insights/finanzdienstleistungen/nature-is-too-big-to-fail.html
4. Die auf Naturkapital ausgerichtete Anlagestrategie von Lombard Odier verbindet die Gelegenheiten, die sich aus dem Übergang zu einer produktiveren Industrieform ergeben, mit Investitionen in die kreislauforientierte Bioökonomie. Können Sie diese beiden Elemente genauer erklären?
Starke Kräfte verdrängen nun das veraltete lineare Modell und schaffen eine neue kreislauforientierte Wirtschaft. Naturschutz wird weltweit politisch immer stärker unterstützt und dank der sinkenden Technologiekosten entstehen neue Anlagegelegenheiten. Auch die Konsumenten drängen auf mehr Naturschutz. All diese Kräfte fördern dieses neue Wirtschaftsmodell, das im Einklang mit der Natur Wachstum generiert.
Die Kraft der Natur zu nutzen bedeutet, unsere Wirtschaft zunehmend in eine Bioökonomie umzuwandeln, die effizienter und kreislauforientiert ist. Es geht darum, in deutlich mehr Branchen vermehrt mit Biomaterialien und naturnahen Werkstoffen zu arbeiten. Es geht auch darum, Abfall als Ressource zu betrachten, um Bioenergie und um verschiedene regenerative Methoden der Land- und Forstwirtschaft und Fischerei.
Die Natur zu erhalten bedeutet auch, Bereiche der Produktion und des Konsums, die noch nicht durch die Bioökonomie ersetzt werden können, kreislauforientierter zu gestalten und in der Industrie Abfall zu reduzieren. Dabei geht es darum, eine viel produktivere Industrieform zu schaffen, mit anderen Worten um eine effizientere Nutzung unserer Ressourcen, um die Veränderung unserer Konsummuster und um Null-Abfall-Strategien.
Die Natur zu erhalten bedeutet auch, Bereiche der Produktion und des Konsums, die noch nicht durch die Bioökonomie ersetzt werden können, kreislauforientierter zu gestalten und in der Industrie Abfall zu reduzieren
5. Den Kern dieser Strategie bilden vier Revolutionen, die aktuell im Gange sind. Um welche vier Revolutionen handelt es sich und warum sind sie wichtig?
Die Natural Capital Investment Strategie ist eine globale Aktienstrategie, unter anderem inspiriert von seiner königlichen Hoheit, dem Prinzen von Wales, und dessen Vision der kreislauforientierten Bioökonomie. Er wurde in Zusammenarbeit mit der Circular Bioeconomy Alliance seiner königlichen Hoheit entwickelt. Die Anlagephilosophie dieser Strategie und die Auswahl der wichtigsten Sektoren basieren auf dem von Marc Palahí koordinierten 10-Punkte-Aktionsplan für eine kreislauforientierte Bioökonomie.
Wir haben vier Schlüsselrevolutionen identifiziert, die auch die Grundlage für die Anlagethemen bilden: die kreislauforientierte Bioökonomie, die Innovation durch Lösungen in den Bereichen Wasser, Lebensmittel und Materialien fördert und die regenerativen Eigenschaften der Natur nutzt; Ressourceneffizienz, die durch Entmaterialisierung und leistungsfähigere Materialien produktivere Herstellungsverfahren anstrebt; ein ergebnisorientierter Ansatz im Konsum und eine Null-Abfall-Philosophie.
Die Strategie konzentriert sich darauf, bereits rentable Unternehmen ausfindig zu machen, die gut positioniert sind, um diese vier unaufhaltsamen Wachstumschancen nutzen zu können.
6. Ist es wirklich möglich, ein Portfolio aus Unternehmen aus der ganzen Welt zusammenzustellen, die von diesen Chancen profitieren können?
Das Naturkapital ist für Menschen und Unternehmen wichtig, egal, wo auf der Welt sie sich befinden, und leider wurde es auf der ganzen Welt gleichermassen gefährdet. Insbesondere da die weltweiten Lieferketten heute sehr eng verflochten sind, unternehmen viele Firmen weltweit bereits erste Schritte in Richtung produktiverer Geschäftsmodelle. Dies eröffnet weltweit Chancen für die Lösungsanbieter, die eine solche Umstellung ermöglichen.
Ebenso können Unternehmen heute aufgrund des technischen Fortschritts die Fähigkeiten der Natur, sich selbst zu regenerieren, nutzen, um neue Lösungen zu schaffen, welche die Grundlage für die Bioökonomie bilden können, woraus wiederum potenzielle positive externe Effekte entstehen. Solche Innovationen sind nicht geografisch beschränkt und können oft von grenzüberschreitender Zusammenarbeit und Informationsfluss profitieren.
Wir haben weltweit bereits mehr als 550 Unternehmen identifiziert, die an dieser Schlüsselrevolution beteiligt sind, und zwar auf beiden Seiten des Schmetterlingsmodells: am Übergang zu einer produktiveren Industrie einerseits und zur Bioökonomie andererseits. Und wir erwarten, dass es in Zukunft immer mehr werden.
Viele Firmen weltweit bereits erste Schritte in Richtung produktiverer Geschäftsmodelle
7. Wie funktioniert der Anlageprozess?
Die vier grundlegenden Revolutionen – kreislauforientierte Bioökonomie, Ressourceneffizienz, Umweltbewusstsein und Null Abfall – sind der Grundstein für die Festlegung der Schwerpunkte der Strategie. Das Nachhaltigkeitsteam hat bereits umfassende Arbeit geleistet, um die Geschäftstätigkeiten auszumachen, die Teil dieser vier Revolutionen sind oder sie möglich machen. Die Aktienanalyseplattform bestimmte anschliessend die genaue Liste der Unternehmen, die in diesen Geschäftsbereichen tätig sind. Diese Bereiche müssen ausserdem mindestens 30 % der Geschäftstätigkeit der betreffenden Unternehmen ausmachen. Das Team wendet eine Kombination aus algorithmischer und Fundamentaldatenanalyse an, um ein Anlageuniversum von über 550 hauptsächlich klein- und mittelkapitalisierten Unternehmen aus der ganzen Welt zusammenzustellen.
Anschliessend identifiziert der Portfoliomanager die Unternehmen mit potenziell überdurchschnittlichen Wachstumsprofilen und wirtschaftlichen Überrenditen und überprüft sie gleichzeitig auf ihre ESG-Bilanz, unter anderem durch die Beurteilung möglicher Kontroversen. Daraus ergibt sich ein Portfolio aus 40 bis 50 High-Conviction-Aktientiteln, das angemessen diversifiziert ist und sich auf hochwertige Unternehmen konzentriert.
8. Warum ist Ihrer Meinung nach eine konzentrierte High-Conviction-Strategie aus 40 bis 50 Positionen sinnvoll – führt sie nicht zu einem höheren Risiko?
Wir sind der Ansicht, dass ein Umfang von 50 Unternehmen der idealen Grösse eines High-Conviction-Portfolios entspricht, das gleichzeitig ausgewogen ist. Eine konzentrierte Strategie ermöglicht es uns, die vom Nachhaltigkeitsteam entwickelten Fachkenntnisse im Bereich Naturkapital zu nutzen und sie mit Unterstützung der Teams für Aktienfundamentaldatenanalyse und Portfoliomanagement in Form von langfristigem Wertzuwachs effizient umzusetzen. Dabei wird eine hohe Diversifizierung des Portfolios aufrechterhalten.
Die Bioökonomie ist potenziell ein wichtigerer und noch nicht ausreichend erforschter Aspekt der wirtschaftlichen Revolution
9. In welchem Verhältnis steht diese Strategie zu anderen nachhaltigen Anlagestrategien?
Die Bedeutung der kreislauforientierten Bioökonomie rückt immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit und wird zunehmend anerkannt, weswegen auf Kreisläufe fokussierte Anlagestrategien aufgelegt werden. Dieser Fokus wird jedoch unserer Meinung nach dem vollen Umfang des Wandels, der im Gange ist, nicht gerecht. Die Kreislauforientierung entspricht in unserem Modell nur dem rechten Flügel des „Schmetterlings“1, bei dem es hauptsächlich darum geht, die Ressourcenverschwendung zu verringern, um den Druck auf das Naturkapital zu senken. Die Bioökonomie ist potenziell ein wichtigerer und noch nicht ausreichend erforschter Aspekt der wirtschaftlichen Revolution. Unserer Meinung nach ist unsere Strategie die erste ihrer Art, die tatsächlich beide Flügel des Schmetterlingsmodells umfasst und somit wirklich Anlagen in das gesamte Spektrum der Revolution des Naturkapitals ermöglicht.
10. Warum ist der Übergang vom Wegwerfmodell zu einer nachhaltigen Bioökonomie eine mehrjährige Anlagechance und nicht nur eine Reaktion auf COVID-19?
Die Kernaspekte, die die Bioökonomie-Revolution vorantreiben, hängen nicht vom Verhalten während der Pandemie und ihren Folgen ab. Die ökologischen Vorteile und die Wirtschaftlichkeit von Bioökonomie und Ressourceneffizienz sind bewiesen und schaffen ein solides Fundament für die Entwicklung in diese Richtung. Tatsächlich erinnert uns COVID-19 möglicherweise daran, wie gefährlich es ist, nicht mit der Natur im Einklang zu stehen. Die Einschränkungen menschlicher und wirtschaftlicher Aktivität aufgrund der Pandemie haben uns deutlich ins Bewusstsein gerufen, wie gravierend wir in die Natur eingreifen, wenn unserer Wirtschaft freier Lauf gelassen wird. Dass COVID-19 vom Tier auf den Menschen übertragen wurde, zeigt ausserdem, wie gefährlich Störungen der Ökosysteme für das menschliche Leben sind. Die Pandemie mahnt also die Dringlichkeit des Wandels an oder ist zumindest ein dieser Entwicklung förderliches Element.
Quelle.
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