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Klimaziele erreichen: pragmatische Schritte für Anleger

Pariser Abkommen: pragmatische Schritte für Anleger

 

Das Übereinkommen von Paris gibt einen globalen Rahmen zur Bekämpfung des bedrohlichen Klimawandels vor: Die Erderwärmung soll deutlich unter 2 °C gehalten werden. Wie können Anleger dies für sich nutzen und sinnvolle Ziele und Massnahmen ergreifen?

 

Gut zu wissen

  • Es gibt eine Reihe von Best-Practice-Methoden und -Ansätzen für die Messung der Anpassung, die Umstellung von Portfolios und die Ergreifung von Massnahmen zur Förderung des Übergangs zu Netto-Null.
  • Die Verwendung zukunftsorientierter Metriken bietet positive Antworten auf die wichtigsten Herausforderungen für Investoren.
  • Es besteht ein finanzielles Risiko, wenn das Klima in den Portfolios nicht berücksichtigt wird.

 

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Die Institutional Investors Group on Climate Change (IIGCC) ist die europäische Mitgliedsorganisation für die Zusammenarbeit von Anlegern im Bereich Klimawandel. Sie umfasst ein investorengeführtes Netzwerk aus über 350 Vermögensinhabern und -verwaltern aus 22 Ländern, die zusammen ein Anlagevolumen von über EUR 39 Bio. verwalten.

Im Mai 2019 gründete die IIGCC die Paris Aligned Investment Initiative (PAII), um zu untersuchen, wie Anleger das wichtigste Klimaschutzziel durch ihre Portfolios und ihr Handeln unterstützen können. In einer Reihe von Arbeitsgruppen wurden bewährte Methoden und Ansätze identifiziert, um die Ausrichtung auf das Klimaabkommen zu messen, die Portfolios umzustellen und den Übergang zur Klimaneutralität aktiv voranzutreiben.

„Wir haben die PAII ins Leben gerufen, um zu untersuchen, wie sich die Ausrichtung auf die Ziele des Übereinkommens von Paris messen lässt und was Anleger tun können, um dieses Ziel möglichst wirksam zu erreichen", so Daisy Streatfeild, Direktorin des IIGCC Investor Practices Programme.

Hauptergebnis des Projekts ist das Net Zero Investment Framework 1.0, das global ausgerichtet ist und derzeit vier Anlageklassen abdeckt (Staatsanleihen, börsennotierte Aktien und Unternehmensanleihen, Immobilien). Der Rahmen hat mehrere Ziele, die es allen Anlegern ermöglichen sollen, ihre Bemühungen und ihre Wirkung auf die Klimaziele zu maximieren:

  • Übersetzung der Ziele des Übereinkommens von Paris in praktische Leitlinien für Vermögensinhaber und Vermögensverwalter
  • Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses über wirksame Ansätze und Methoden, an denen sich die erforderlichen ehrgeizigen Massnahmen orientieren sollen
  • Unterstützung der Dekarbonisierung der Realwirtschaft, Beitrag zur Minimierung der negativen Folgen des Klimawandels und Wahrnehmung von Anlagechancen

Den Anlegern wird empfohlen, eine Reihe von Top-down- und Bottom-up-Hebeln zu nutzen, um eine Ausrichtung auf das Pariser Klimaabkommen und eine Dekarbonisierung der Realwirtschaft zu erreichen. Der Rahmen identifiziert fünf Komponenten einer Netto-Null-Anlagestrategie, welche die Richtung und die Portfoliostruktur für eine Ausrichtung auf die Klimaziele vorgeben und gleichzeitig die Ausrichtung der Vermögenswerte auf die Portfolioziele ermöglichen:

  • Governance und Strategie
  • Ziele und Vorgaben
  • Strategische Vermögensallokation
  • Ausrichtung der Anlageklassen
  • Interessenvertretung und Engagement

Die Anleger werden dazu aufgefordert, Zielvorgaben zu machen, um ihre Fortschritte im Hinblick auf die Netto-Null-Ziele zu messen. Auf Ebene der Anlageklassen werden Bottom-up-Ziele im Einklang mit wissenschaftsbasierten Netto-Null-Pfaden empfohlen, darunter:

  • ein Fünfjahresziel für die Steigerung des Anteils der verwalteten Vermögen, die in Vermögenswerte aus wesentlichen Sektoren investiert sind, die i) bereits dem Netto-Null-Ziel entsprechen oder Kriterien erfüllen, um entweder als ii) „auf die Klimaziele ausgerichtet" oder als iii) „auf dem Weg zur Ausrichtung auf die Klimaziele" zu gelten
  • eine Mindestschwelle von 70% für Emissionen in wesentlichen Sektoren, die entweder i) den Netto-Null-Status erreichen, ii) auf die Klimaziele ausgerichtet sind oder Gegenstand direkter oder kollektiver Massnahmen im Bereich Engagement und Stewardship sind

Auf Portfolioebene werden auch Top-down-Referenzziele empfohlen, die wissenschaftsbasierten Netto-Null-Pfaden entsprechen, darunter:

  • ein Ziel für die Reduktion der CO2-Emissionen von börsennotierten Aktien, Unternehmensanleihen und Immobilien bis in <10 Jahren
  • ein Ziel für die Allokation in Klimalösungen bis in <10 Jahren, ausgedrückt als Prozentanteil des Umsatzes oder der Investitionen (CapEx) aus den verwalteten Vermögen (basierend auf den Klimaschutzkriterien der EU-Taxonomie)

Den Anlegern wird auch empfohlen, sich stärker für einen positiven Wandel in Unternehmen und Volkswirtschaften einzusetzen.

„Einer der Bereiche, auf die wir uns stark konzentrieren, ist Engagement und Stewardship. Wenn Anleger ein Unternehmen einfach nur abstossen, haben sie keine Möglichkeit mehr, die Zielrichtung dieses Unternehmens zu beeinflussen. Wenn man eine bestehende Position in einem Unternehmen hat, unterstützt man den Wandel oft am besten, indem man versucht, sie im Rahmen einer Engagementstrategie zu beeinflussen", so Streatfeild.

Aus Anlegersicht gibt es im Wesentlichen vier Herausforderungen: Wie dekarbonisiert man seine Anlagen, wie identifiziert man Klimarisiken in seinem Portfolio, wie identifiziert man Chancen und wie hält man an einer breiten Streuung seiner Anlagen fest?

 

Nachhaltigkeit als Anlageüberzeugung

„Die Verwendung zukunftsgerichteter Kennzahlen gibt Antworten auf vier wesentliche Herausforderungen für Anleger“, erklärte Maxime Perrin, Head of Sustainable Investment bei LOIM.

„Aus Anlegersicht gibt es im Wesentlichen vier Herausforderungen: Wie dekarbonisiert man seine Anlagen, wie identifiziert man Klimarisiken in seinem Portfolio, wie identifiziert man Chancen und wie hält man an einer breiten Streuung seiner Anlagen fest?

Wenn wir Anlagen unter dem Aspekt der zukunftsgerichteten Kennzahlen betrachten, können wir Antworten auf diese vier Herausforderungen geben."

Perrin betonte, dass sich die Anleger zunächst bewusst werden sollten, wie gross die Herausforderung der Dekarbonisierung ist, da sie jeden Sektor, jedes Land und jede Region betrifft.

Anleger sollten auch um den Unterschied zwischen Investitionen in dekarbonisierte Vermögenswerte und Investitionen in die Dekarbonisierung wissen. Das Ziel besteht darin, Unternehmen ausfindig zu machen, deren Dekarbonisierungsbemühungen glaubwürdig sind, die mit der Dekarbonisierung begonnen haben oder die zumindest in Anlagen und Prozesse investieren, die ihnen eine Dekarbonisierung im Einklang mit den Pariser Klimazielen ermöglichen. Eine Fokussierung auf kohlenstoffarme Firmen ist grundsätzlich nicht zielführend, denn der Klimawandel wird in den Sektoren mit hohen Emissionen angepackt, und dort sind auch Vorreiter des Klimaschutzes zu finden.

„Das Problem bei vielen kohlenstoffarmen Strategien und Methoden, die sich auf den derzeitigen CO2-Fussabdruck konzentrieren, besteht darin, dass sie dadurch die Chance auf Investitionen in Dekarbonisierungsbemühungen verpassen und sich auf Unternehmen konzentrieren, die von der Dekarbonisierung gar nicht so sehr betroffen sind", so Perrin.

Um eine zukunftsgerichtete Kennzahl zu konstruieren, die es ermöglicht, die Zielausrichtung eines Unternehmens zu beurteilen und in den Wandel statt nur in ein kohlenstoffarmes Marktsegment zu investieren, muss zunächst der mögliche Dekarbonisierungspfad einer bestimmten Aktivität detailliert festgelegt werden. Anschliessend wird dieser mit dem voraussichtlichen Emissionspfad eines einzelnen Unternehmens verglichen.

„Beim Umgang mit dieser Methode muss man verstehen, welche Variablen es gibt und wie glaubwürdig diese Variablen sind. Wenn wir die künftige Entwicklung eines Unternehmens betrachten, verwenden wir Annahmen. Diese Annahmen basieren auf den Zielen des Unternehmens, der Glaubwürdigkeit des Unternehmens in der Vergangenheit und dem jüngsten Emissionsverlauf des Unternehmens", so Perrin.

Perrin merkte weiter an, die Analyse des CO2-Abdrucks sei zwar ein hilfreicher Ausgangspunkt, es sei jedoch wichtiger, die Übereinstimmung des Portfolios mit dem Temperaturziel strategisch zu analysieren.

„Zu viele Anleger beurteilen ihre Portfolios nur nach dem verursachten Emissionsvolumen. Als Ausgangspunkt ist das sicher hilfreich. Doch die Berechnung des CO2-Fussabdrucks ist zwar notwendig, viel wichtiger für die Beurteilung eines Unternehmens ist es aber, die Chancen und Risiken mit Hinblick auf seine Ausrichtung auf das Temperaturziel zu verstehen. Man betrachtet die Vergangenheit und setzt sie in Relation zur Zukunft", erklärt er.

„Wir müssen in der Lage sein, diejenigen Unternehmen zu identifizieren, die risikobehaftet sind, weil sie schlecht vorbereitet und unglaubwürdig sind. Solche Unternehmen nennen wir brennende Holzscheite, weil sie die Temperatur des Portfolios erhöhen, und grenzen sie von Unternehmen ab, die deutlich glaubwürdiger und bereit für die Herausforderung sind und bereits mit der Dekarbonisierung begonnen haben. Das sind die sogenannten Eiswürfel, die das Portfolio abkühlen."

 

Wie können Anleger in ihren Portfolios Klimaanliegen zum Ausdruck bringen?

Moderator Thomas Höhne-Sparborth, Head of Sustainability Research, begann die Podiumsdiskussion mit der Frage, ob Anleger, die sich ausschliesslich um das Klimarisiko sorgen, einfach in kohlenstoffarme Sektoren investieren sollten.

Perrin erklärte, dass dieser Ansatz nicht nur ein Diversifizierungsrisiko mit sich brächte, sondern dass einem Anleger so auch Unternehmen mit einer positiven Ausrichtung auf die Klimawende entgingen.

„Diversifizierung hat einen guten Grund: Sie verringert das Risiko und ermöglicht ein Engagement im allgemeinen Markt. Damit verpasst man auch alle möglichen Chancen, da manche Unternehmen mit einem Positivrisiko einhergehen und von der Klimawende profitieren werden. Ein Unternehmen, das CO2-freien Stahl produziert, hat ein Positivrisiko. Die Margen sind höher, sie haben einen Wettbewerbsvorteil und können ihre Produkte zu einem höheren Preis verkaufen als ihre Wettbewerber."

Höhne-Sparborth fragte Julius Pursaill vom Beratungsunternehmen Cushon nach seiner Sicht auf die Herausforderungen, die kleinere Marktakteure bei der Festlegung von Strategien und Zielen zu meistern hatten. 

„Wir sind ein kleiner Akteur mit begrenzten Ressourcen und müssen diese Fragestellung im Kontext der treuhänderischen Pflichten, die eine erhebliche Herausforderung darstellen, sowie mit Blick auf die Kosten lösen. Wir haben uns dazu entschlossen, der unmittelbaren Verringerung unseres CO2-Fussabdrucks Vorrang einzuräumen, und wir haben versucht, diese unmittelbare Verringerung mit einer Förderung des Wandels und einem hohen Engagement im Potenzial des Übergangs zu kombinieren. 

Es gibt absolut keinen Grund dafür, dass uns das Fehlen eines allgemeinen Konsenses über die beste Vorgehensweise gegen den Klimawandel und den besten Umgang mit Klimarisiken in Portfolios am Handeln hindern sollte. Ein Teil unserer Strategie bestand darin, zu zeigen, dass man schon handeln und etwas bewegen kann, während man auf Verbesserungen wartet."

Die Podiumsteilnehmer wurden auch auf den Zeitplan angesprochen und gefragt, ob es ein finanzielles Risiko darstelle, jetzt nicht zu handeln.

Perrin merkte an, dass das Risiko erheblich sei – für Fremd- und Eigenkapitalinvestoren gleichermassen.

„Ratingagenturen wie Standard & Poor‘s fangen an, die Lebensdauer von Vermögenswerten zu messen. Diese wird umso kürzer, je höher die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie wegreguliert werden. Es könnte auch sein, dass ein Geschäftsmodell durch eine bessere Technologie ersetzt wird, bevor es durch Regulierungen irrelevant wird. Das muss man berücksichtigen, nicht nur weil es moralisch richtig ist, sondern weil es notwendig ist, um die eigenen Anlagen zu schützen", so Perrin. 

Höhne-Sparborth fragte auch Sophie Chardon, Cross Asset Strategist bei LOIM, nach ihrer Sicht auf die zentralen Herausforderungen über alle Anlageklassen hinweg.

„Alle Vermögenswerte sind dem Klimarisiko ausgesetzt, gehen aber jeweils mit unterschiedlichen Chancen einher. Wir wollen nicht einige Anlageklassen aufgrund mangelnder Daten ausschliessen. Wir glauben, dass sich die Qualität dieser Daten mit dem zunehmenden Druck seitens der Anleger und der Regulierungsbehörden im Laufe der Zeit verbessern wird.

Methodisch gesehen ist es schwierig, das Klimarisiko beispielsweise auf den Privatmärkten und bei Rohstoffen einzuschätzen. Das Klimarisiko von Kupfer ist schwer zu messen. Kupfer spielt bei der Dekarbonisierung eine zentrale Rolle, gleichzeitig ist der Kupferabbau aber emissionsintensiv", sagte sie.

Den Anlegern kommt bei der Förderung eines positiven Wandels in den Unternehmen und Volkswirtschaften, in die sie investiert sind, eine wichtige Rolle zu. Engagement und Stewardship sind hierbei entscheidende Mittel, um dies zu erreichen. Höhne-Sparborth fragte Rebeca Coriat, Head of Stewardship bei LOIM, ob Engagement immer noch vorwiegend auf Aktien beschränkt ist.

„In der Vergangenheit spielte Engagement eher bei Aktien eine Rolle, da sich mit Stewardship-Instrumenten Themen eskalieren lassen. Langsam findet aber ein Umdenken statt und Vermögensverwalter und -inhaber wenden den Engagement-Ansatz auf immer mehr Anlageklassen an", sagte sie.

Wenn die oberste Priorität der Anleger auf der Identifizierung von Unternehmen liegen sollte, die stark auf die Ziele des Übereinkommens von Paris und die Klimawende ausgerichtet sind, kann man dann sagen, dass ein Unternehmen mit einer starken Klimaausrichtung auf jeden Fall besser abschneidet als ein Unternehmen mit einer schlechten Klimaausrichtung? Perrin erklärte, es gebe zwar keine Garantie, dass Unternehmen mit einer stärkeren Klimaausrichtung den Aktieninhabern eine bessere Performance bieten, aber viel dafür spreche, dass sie ein geringeres Risiko aufweisen.

Gespräche über die Dekarbonisierung drehen sich oft um den Energiesektor. Höhne-Sparborth fragte, ob den Emissionen ausserhalb des Energiesektors genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird. Streatfeild erklärte, den Emissionen im Zusammenhang mit Lebensmitteln und der Landnutzung müsse mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.

„Wir könnten heute alle Emissionen stoppen und würden die 1,5°C-Grenze trotzdem überschreiten, wenn wir nichts gegen die Emissionen im Zusammenhang mit Lebensmitteln und der Landnutzung unternehmen. Das ist die nächste Grenze", so Streatfeild.

Wichtige Informationen.

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