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Weitere geldpolitische Straffung in der Schweiz, aber wie?
Gut zu wissen
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Ende einer Ära
Nach sieben Jahren geprägt von Negativzinsen straffte die Schweizerische Nationalbank (SNB) an ihrer Sitzung im September die Geldpolitik, warnte, dass es unter Umständen weiterer Zinserhöhungen bedürfe, und schloss sich anderen globalen Notenbanken an, beträchtliche Risiken in Bezug auf die globale Wirtschaft zu prognostizieren. Die Bank hob den Leitzins um 75 Basispunkte (Bp.) auf 0,50% an, revidierte ihre kurzfristige Inflationsprognosen nach oben und stellte Massnahmen zur Steuerung des Liquiditätsüberhangs vor.
Künftig dürfte die SNB im aktuell sich schnell wandelnden und weiterhin unsicheren makroökonomischen Umfeld ihren strengen geldpolitischen Kurs weiterverfolgen, wobei der Schweizer Franken und eine mögliche Bilanzverkürzung momentan ihre wichtigsten geldpolitischen Hebel sind. Da die SNB unseres Erachtens bei den Zinserhöhungen ihr Spitzentempo erreicht hat, und die Kommunikation der SNB ausgewogener als diejenige ihrer Konkurrenten ist, sehen wir vor allem den Anleihenbereich bei den aktuellen Bewertungen als interessant an.
Einpreisung höherer Erwartungen
Der Umfang der Zinserhöhung war mit 75 Bp. geringer als die an den Märkten prognostizierten 100 Bp., entsprach aber nach wie vor den Erwartungen der Wirtschaftsexperten. Die SNB bekräftigte erneut ihre Bereitschaft, an den Devisenmärkten falls erforderlich zu intervenieren. Die Erwartungen umfangreicherer Zinserhöhungen widerspiegelten eine gewisse Neueinschätzung im Zuge der aggressiven Rhetorik des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell am Zentralbanksymposium in Jackson Hole im August. Diese erwiesen sich aber als unbegründet.
Zudem kündigte die Zentralbank technische Einzelheiten an, um eine gute Steuerung des Liquiditätsüberhangs sicherzustellen. Sie passte ihre gestaffelte Verzinsung von Sichteinlagen an, die Banken und andere Finanzmarktteilnehmer bei der SNB halten, und wird überschüssige Liquidität durch Offenmarktgeschäfte absorbieren. Damit soll sichergestellt werden, dass die Banken die SNB-Zinsen an ihre Kunden weitergeben. Unseres Erachtens werden grössere Kreditlinien als erstes von diesen Massnahmen profitieren, während der Wettbewerb zwischen den Banken erst mit einer gewissen Verzögerung einsetzen wird, wodurch kleinere Kunden erst später in ihren Genuss kommen werden.
Die SNB hob ihre bedingten Inflationsprognosen auf kurze Sicht bis Ende 2023 im Vergleich zu ihren Prognosen des Monats Juni an. Allerdings senkte sie ihre Erwartungen zum Endpunkt für 2025 leicht auf 2%, was unter den vorherigen Schätzungen liegt.
Dies deutet darauf hin, dass die Bank keine allzu grossen Bedenken hinsichtlich ausufernder Inflationserwartungen hegt und ihre derzeitigen Massnahmen als ausreichend erachtet. Sollte der Endpunkt auf über 2% ansteigen, müsste die Bank unserer Meinung nach wohl wesentlich mehr unternehmen.
Abbildung 1. Schweizer KPI (Vorjahresvergleich) und Inflationserwartungen der SNB
Quelle: Schweizerisches Bundesamt für Statistik, SNB.
Wichtig ist, dass es erste Anzeichen einer Abschwächung der Inflation in der Schweiz gibt. Die jüngsten Daten zum Schweizer KPI waren rückläufig (Abbildung 2). Unseres Erachtens stellen diese Zahlen eine erste, aber möglicherweise bedeutsame Herausforderung für das Narrativ der hartnäckigen Inflation dar und deuten unter Umständen darauf hin, dass die Inflation in der Schweiz bereits nachlässt.
Abbildung 2. Schweizer KPI (3M ggü. vorh. 3M, saisonbereinigt und annualisiert)
Quelle: Schweizerisches Bundesamt für Statistik.
Wie steht es um die Bilanz der Zentralbank?
Wir sind der Meinung, dass die SNB ihre Geldpolitik weiter straffen muss, und gehen von weiteren Zinserhöhungen aus. Die Inflationsentwicklung ist für die künftigen Schritte der Bank ausschlaggebend, und die Währung dürfte hier einen wichtigen Anhaltspunkt bieten. Aktuell könnte die SNB bei ihren Zinserhöhungen die Spitzengeschwindigkeit erreicht haben, und Zinserhöhungen von mehr als 75 Bp. dürften in Zukunft eher unwahrscheinlich sein.
Auch wenn die SNB die Zinssätze weiter anhebt, gehen wir nicht davon aus, dass sie dabei das Tempo oder den Umfang steigern wird. Wir glauben, dass der Schweizer Leitzins gegenüber dem Leitzins der Eurozone ein gewisses Verhältnis aufrechterhalten wird, wobei die europäischen Zinsen auf etwa 2,5% steigen dürften, während die Schweizer Zinsen 50 bis 75 Bp. unter diesem Niveau bei 1,5% bis 2% verharren werden. Natürlich unterliegt diese Prognose den sich schnell ändernden makroökonomischen Entwicklungen.
Die SNB ist dazu bereit, den Schweizer Franken nominell aufwerten zu lassen und damit die importierte Inflation auf natürliche Weise zu begrenzen. Sie könnte sogar noch weiter gehen und unserer Meinung nach auch eine reale Währungsaufwertung tolerieren. Die Bank hat zwar nie ausdrücklich Prioritäten ausgedrückt, hat jedoch zunächst die Negativzinsen beendet und könnte sich nun darauf konzentrieren, ihre Bilanz zu verkürzen, wenn die Währung dies erlaubt.
Das Zusammenspiel geldpolitischer Instrumente
Ein Gleichgewicht zwischen Zinserhöhungen und Bilanzverkürzung zu finden, ist wahrlich eher eine Kunst als eine Wissenschaft. Ein kürzlich veröffentlichtes Interview von SNB-Präsident Thomas Jordan gibt jedoch ein wenig Aufschluss über die Denkweise der SNB. Als Antwort auf die Frage, ob die Bank eine Bilanzverkürzung als Alternative zur Zinserhöhung nutzen wird, meinte er, dass dafür gewisse Kriterien notwendig seien, nämlich ein gewisser Inflationsdruck, positive Zinsen und ein schwacher Schweizer Franken. Die Bank ist jetzt schon bereit, die importierte Inflation zu bekämpfen, indem sie den Franken nominell aufwerten lässt, aber ihr Vorsitzender hat eindeutig die Möglichkeit ins Spiel gebracht, die Straffung nicht nur durch höhere Zinssätze, sondern eventuell auch durch eine Bilanzverkürzung erfolgen zu lassen. In der Tat hat die SNB laut Jordan im 2. Quartal Franken verkauft.
Nicht minder interessant war eine Stellungnahme zum neutralen Zinssatz. Jordan meinte, dass die Geldpolitik derzeit kaum expansiv sei, was nahelegt, dass ein neutraler Zinssatz erreicht worden ist.
Angesichts dieser Bemerkung und der Tatsache, dass die Zinssätze sich nun eindeutig auf positivem Terrain befinden, könnte die SNB unseres Erachtens ihre Bilanzverkürzung als geldpolitisches Instrument einsetzen. So strebt die Bank ein Gleichgewicht zwischen positiven Zinssätzen einerseits und einem nicht allzu starken Schweizer Franken andererseits an. Die Kommentare ihres Präsidenten lassen zudem vermuten, dass die geldpolitische Haltung der SNB bereits weder expansiv, noch restriktiv, also neutral ist. Die Bank könnte sich dafür entscheiden, auf mehr Zinserhöhungen zu verzichten und sich stattdessen mehr auf Aktivitäten an den Devisenmärkten zu fokussieren. Bei ihrer Risiko-Ertrags-Analyse ihrer Instrumenten könnte die SNB zur Schlussfolgerung gelangen, dass einer Bilanzverkürzung zum gegenwärtigen Zeitpunktpositiver Zinsen mehr Bedeutung zukommen sollte.
Wachstum im internationalen Kontext
Im Zuge des globalen Wachstumsrückgangs hat die SNB ihre BIP-Prognose für die Schweiz für dieses Jahr um 50 Bp. auf 2% gesenkt. Die Bank wies darauf hin, dass mit ihren Prognosen aufgrund der Risiken einer weltweiten Konjunkturabschwächung, einer Verschärfung der Gasknappheit in Europa, einer Stromknappheit in der Schweiz und eines Wiederaufflammens der Coronavirus-Pandemie Unsicherheiten einhergehen würden.
Während der kurzfristige wirtschaftliche Ausblick in der Schweiz nachgelassen hat, sind die Entwicklungen am Arbeitsmarkt positiv (Abbildung 3). Im Allgemeinen erachten wir die Wirtschaft zudem als widerstandsfähig und den Bankensektor als robust.
Abbildung 3. Arbeitslosigkeit in der Schweiz (saisonbereinigt)
Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO)
Da die Schweiz auch vom globalen Konjunkturgeschehen beeinflusst wird, gehen wir davon aus, dass die fiskalischen Reaktion des Landes, die geldpolitischen Massnahmen und die Entwicklung der Energiepreise in Wechselwirkung zueinander stehen. Nachdem die Konjunktur- und Energiepakete weltweit ganz oben auf der politischen Agenda stehen, muss eine noch restriktivere Geldpolitik verfolgt werden, um den fiskalpolitischen Anreizen etwas entgegenzuwirken. Im Endresultat könnten somit verschiedenste Szenarien eintreten.
Möglicherweise ein Frühindikator
Wir werten die jüngste Zinserhöhung um 75 Bp. als Indikator dafür, dass die SNB ihren Kurs beibehält und an ihrem mittelfristigen Plan festhält, die Inflationsziele zu erreichen, ohne den Marktbedenken allzu viel Beachtung beizumessen. Sie war eine der ersten Zentralbanken, die die Inflation bereits im Juni mit einer überraschenden und kräftigen Zinserhöhung bekämpfte und somit gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) die Nase vorn hatte, wodurch sie unter den Notenbanken als Frühindikator agierte, weil sie die Hartnäckigkeit der Inflation erkannte.
Zudem verlief die Kommunikation der SNB etwas reibungsloser als bei anderen Zentralbanken. Unseres Erachtens ist eine weniger präzise Rhetorik im derzeitigen Inflationsumfeld umso effektiver. Das Festhalten an vergangenen Vorgehensweisen mit detaillierten Prognosen hat im aktuell unsicheren Umfeld ausgedient. Als solches bieten die sparsameren und allgemeiner gehaltenen Aussagen der SNB ausreichende Anhaltspunkte am Markt, ohne zu viel an Informationen preiszugeben, die sich in volatilen Märkten negativ auswirken und zu Widersprüchen gegenüber früheren Mitteilungen führen könnten.
Attraktive Einstiegspunkte
Mit Blick auf die Zukunft gehen wir von einer weiteren Straffung durch die SNB aus, glauben jedoch, dass die Bank derzeit ihr Spitzentempo erreicht hat. Die wesentlichen Fragen lauten nach wie vor, wie die Währung die weiteren Entwicklungen beeinflussen wird und wann und wie die Bilanz der Zentralbank instrumentalisiert wird.
Vor diesem Hintergrund, stehen die derzeitigen Bewertungen von Kredittiteln auf seit Jahrzehnten nicht mehr erreichten Niveaus, , , wobei sogar die Renditen im gesamten Spektrum der Schweizer Investment-Grade-Anleihen mittlerweile positiv sind. Angesichts unserer Prognosen für die Zinsentwicklung und die Wirtschaft bieten die aktuellen Renditeniveaus den Anlegern attraktive Einstiegspunkte.
Abbildung 4. Aktuelle Renditeniveaus in der Schweiz bieten attraktive Einstiegspunkte
Quelle: Bloomberg. Renditen zum 19. September 2022. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit bietet keine Gewähr für künftige Ergebnisse. Die Rendite kann sich im Laufe der Zeit ändern und schwanken.
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