Widrigkeiten neu betrachten, um Chancen zu nutzen

Anlegerinnen und Anleger haben Zugang zu einer Fülle von Informationen – und einer Vielzahl von widersprüchlichen Einschätzungen. Klarheit über die entscheidenden Kräfte, die unsere Welt beeinflussen, verschaffen wir uns am besten, indem wir Fakten von Lärm unterscheiden. Dies gilt für Themen wie Geopolitik, künstliche Intelligenz und Klimawandel gleichermassen. Wenn wir Widrigkeiten neu betrachten, werden Chancen erkennbar.

Einen Gang zurückschalten, um voranzukommen

Die Welt im Jahr 2024 ist unglaublich laut. Jeder Aspekt des modernen Lebens ist von Komplexität geprägt ‒ von den Finanzmärkten bis hin zur Geopolitik und zu sozialen Fragen. Informationen sind allgegenwärtig, und sie dienen als Grundlage für konkurrierende Sichtweisen.

Für Anlegerinnen und Anleger ist das wenig hilfreich. Für sie ist es schwer nachzuvollziehen, wie die aus Geopolitik, künstlicher Intelligenz (KI) und Klimawandel resultierenden Megatrends sich auf die Unternehmen und Märkte auswirken, in die sie investieren. In der Regel fokussieren die meisten Einschätzungen sich entweder auf die negativen potenziellen Auswirkungen dieser Trends oder auf die glänzende Zukunft, die sie verheissen.

Was hilft Anlegerinnen und Anlegern, die Auswirkungen dieser Phänomene auf die Welt zu verstehen? Unserer Ansicht nach ist es an der Zeit, einen Gang zurückzuschalten, das Gesamtbild zu betrachten und diese Megatrends zu überdenken. Nur dann können Anleger ausreichend Klarheit gewinnen, um vorwärtszukommen.

Geopolitik: Gegenwind oder Anlagechance?

Werden die Handelskriege zwischen den USA und China das Wachstum bremsen und geopolitische Risiken verschärfen? Oder ergeben sich aus der hochgradig spezialisierten weltweiten Lieferkette für hoch entwickelte Halbleiter sowie den Onshoring-Massnahmen bedeutende Anlagechancen?

Generative KI ist ein technologischer Entwicklungssprung: Ihre Fähigkeit, Muster in unstrukturierten Daten zu erkennen, eröffnet ein Potenzial, dessen Erschliessung gerade erst beginnt. Bei der traditionellen Datenverarbeitung können lediglich die 20% der Informationen, die als strukturierte Daten vorliegen, genutzt werden. Generative KI hingegen kann die übrigen 80% nutzbar machen und verspricht damit enorme Effizienzsteigerungen. Wir gehen davon aus, dass generative KI mit der Zeit die gesamte Wirtschaft durchdringen wird. Die Anwendungen reichen von landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsmethoden über humanoide Assistenten bis hin zu Chirurgierobotern.

Aktuell befinden wir uns in der ersten Phase der Einführung von generativer KI, die weitgehend von Server-Upgrades und Outputs aus Gesprächen geprägt ist. Die Einrichtung von Servern für generative KI kostet bis zu sechsmal mehr als herkömmliche Server-Upgrades. Allerdings wird damit aufgrund der Produktivitätssteigerungen auch ein vier- bis fünfmal höherer Umsatz erzielt¹. 

Hyperscaler wie Microsoft, Google und Amazon^1,2 sind führende Anwender und wetteifern darum, intelligente Automatisierung zum Schlüssel für Unternehmensproduktivität und -effizienz zu machen. Auch wenn sie Fortschritte machen und andere Unternehmen ihnen folgen, werden nach unseren Schätzungen bis Ende 2025 erst 12% aller Server weltweit KI-gestützt sein². Es bleibt also in den nächsten Jahren noch viel Raum für Investitionen und die damit verbundenen Wachstumsmöglichkeiten.

Die Lieferkette für hoch entwickelte Chips erstreckt sich über verschiedene Regionen und umfasst Giessereien in Taiwan, Hersteller von Lithografiesystemen in den Niederlanden und Speicherexperten in Korea. Regierungen bieten aber inzwischen eine Reihe von Subventionen und Steuererleichterungen an, damit Halbleiterunternehmen ihre Aktivitäten ins eigene Land verlagern oder sie dort ausweiten. Solche Onshoring-Bemühungen sind einer der Schlüsselfaktoren, die Anlegerinnen und Anleger im Auge behalten müssen, wenn die Branche Fahrt aufnimmt.

Die USA bieten Steuererleichterungen von USD 52 Mrd. an, um die Forschung, Entwicklung und Produktion anzukurbeln. Ausserdem werden der Bau und die Modernisierung von Produktionsstätten gefördert. Diese Massnahmen haben TSMC und Samsung^1,2 dazu veranlasst, Giessereien in Arizona bzw. Texas zu bauen. 

Generative KI: Jobkiller oder Produktivitätstreiber?

Der Kampf um die Technologieführerschaft ist in vollem Gange. Doch es stellt sich die Frage, ob die generative KI selbst als positive oder als negative disruptive Kraft zu bewerten ist.

In der Vergangenheit war Technologie der entscheidende Faktor für Produktivitätswachstum. Paradebeispiele dafür sind der Verbrennungsmotor, die Elektrizität sowie Computer. Die Steigerung der Produktivität ist ein wichtiges Thema, denn Prognosen zufolge wird die Zahl der Arbeitskräfte weltweit alle fünf Jahre um rund 4% bis 5% schrumpfen.

Seit die Ludditen im 19. Jahrhundert gegen die Automatisierung in der englischen Textilindustrie kämpften, wurde neue Technologie jedoch immer als potenzielle Bedrohung wahrgenommen. Auch generative KI bildet da keine Ausnahme: Aus einer aktuellen Umfrage ging hervor, dass mehr als zwei Drittel der Arbeitnehmenden in Europa den Verlust ihrer Arbeitsplätze aufgrund von KI befürchten.

Dass die Technologie für einen grundlegenden Wandel sorgen wird, ist gewiss: So schätzt der Internationale Währungsfonds, dass 60% der Arbeitsplätze in Industrieländern von der Technologie betroffen sein werden, etwa die Hälfte davon negativ. Anders als bei früheren Automatisierungswellen werden von dem Wandel durch generative KI eher Angestellte als Arbeiter betroffen sein. Viele Expertinnen und Experten prognostizieren allerdings auch, dass die mit generativer KI einhergehende Revolution mehr Arbeitsplätze schaffen als vernichten wird.

Chatbots sind unsere ersten Berührungspunkte mit der Technologie. In Zukunft wird generative KI nach und nach auch komplexere Routineaufgaben wie Buchhaltung und Eigentumsübertragungen übernehmen. Bei komplexeren und kreativen Aufgaben dürfte sie als Hilfsmittel zur Unterstützung der Fähigkeiten von Menschen zum Einsatz kommen, statt diese zu ersetzen. Beispiele sind Berufe wie Psychologen, Architekten, Ökonomen oder Künstler.

Auch Beschäftigte im Gesundheitswesen werden die Technologie voraussichtlich nutzen können. So kann generative KI durch die Nutzung von Rohdaten die Arzneimittelforschung beschleunigen, die Auswertung medizinischer Bilder unterstützen und die Erstellung individuell zugeschnittener Präventions- und Behandlungspläne ermöglichen. Sie kann in der Präventivmedizin eingesetzt werden und dafür sorgen, dass Menschen länger arbeitsfähig bleiben. Auf diese Weise verbessert und verlängert sie auch die Lebensqualität und gleicht die wirtschaftlichen Auswirkungen der Bevölkerungsalterung aus.

Nachhaltigkeit: ein neuer Morgen?

Bis vor Kurzem schienen die von Regierungen eingegangenen Netto-Null-Verpflichtungen und das Wachstum bei den erneuerbaren Energien die Energiewende schneller voranzutreiben. In der Wissenschaft bestehen jedoch Zweifel daran, ob die Beschränkung der Erderwärmung auf 1,5 °C bis 2030 überhaupt noch ein realistisches Ziel ist. Einige fragen sich daher, ob die Nachhaltigkeitswende wirklich unaufhaltsam oder vielmehr existenziell bedroht ist.

Unserer Ansicht nach geht der Trend langfristig in Richtung Nachhaltigkeit. Dennoch sollten Anlegerinnen und Anleger nicht ausser Acht lassen, dass kurzfristige Hindernisse die Energiewende vorübergehend verlangsamen können. Erneuerbare Energien sind bereits in den Energiemix von Ländern in der ganzen Welt integriert, aber ihr Potenzial ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.

Wind- und Solarenergie sind als ergiebige Quellen sauberer Energie eindeutig attraktive Lösungen, um die Nachhaltigkeitswende voranzutreiben. Aus unserer Sicht ist die Solarenergie aufgrund einer Reihe von Faktoren am besten positioniert, um mit anderen Energieformen zu konkurrieren. Diese Faktoren sind:

Kosten. Gewerbliche Solarparks weisen inzwischen die niedrigsten Stromgestehungskosten³ unter allen Energiequellen aus. Unsere Analysen haben ergeben, dass sie noch weiter sinken werden.

Politische Ziele. Politische Massnahmen und Planungsreformen in wichtigen Märkten wie China, den USA und der Europäischen Union wirken unterstützend. Sie schaffen zudem einen fruchtbaren Boden für weiteres Wachstum im Solarbereich.

Einsatzfähigkeit. Solarenergie ist im Hinblick auf die Landnutzung effizienter als andere Energiequellen ‒ insbesondere, weil die Solaranlagen auf Gebäuden und Grundstücken installiert werden können, die auch für andere Zwecke genutzt werden.

Modularität und Skalierbarkeit. Alle Solarzellen sind standardisierte Produkte, die im Wesentlichen auf die gleiche Weise hergestellt werden und sich in nahezu jedem Massstab leicht kombinieren lassen.

Resilienz der Lieferkette. Die Lieferkette im Solarbereich konzentriert sich auf China. Das ist zwar nicht unbedenklich, doch das geplante Wachstum der Polysilizium-Kapazität übertrifft bei Weitem unsere höchste Prognose für Solaranlagen.

Verfügbarkeit von Rohstoffen. Silizium – der Rohstoff, der zur Herstellung von Polysilizium für Solarzellen verwendet wird – ist nach Sauerstoff das zweithäufigste Element auf der Erde.

Aufgrund dieser Faktoren rechnen wir damit, dass die weltweite Kapazität von Solaranlagen von 2023 bis 2030 um 16% steigen wird. Insgesamt dürfte das Gesamtkapazitätswachstum damit 307% erreichen⁴. 

Das Gesamtbild betrachten, überdenken und den Blick nach vorn richten

Wer die Entwicklung des Anlageumfelds verstehen will, sollte den Lärm ausblenden, in Ruhe das Gesamtbild betrachten und Fakten von Meinungen unterscheiden. Nur so ist es möglich, fundierte Überzeugungen über den besten zukünftigen Anlagekurs zu entwickeln.

Beispielsweise stellt sich die Frage, wie die Onshoring-Massnahmen und die Handelspolitik für hoch entwickelte Halbleiter in der neuen geopolitischen Ordnung die globale Lieferkette beeinflussen werden. Die Diskussion um die potenziellen Auswirkungen von generativer KI auf die Gesellschaft ist vielfach von Schwarzmalerei oder Schönfärberei geprägt. Wichtiger ist jedoch die Frage, wie KI in der Praxis zur Verbesserung von Dienstleistungen und zur Unterstützung der menschlichen Arbeit eingesetzt werden kann. Die Möglichkeiten erstrecken sich von medizinischen Behandlungen bis hin zu landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsmethoden.

Ebenso lässt man sich leicht von politischen Tendenzen und dem zögerlichen Fortschritt bei der Eindämmung des Klimawandels ablenken. Dabei übersieht man die grossartigen Aussichten, die die Solarenergie in den weltweiten Energiesystemen bietet – aufgrund ihrer Wirtschaftlichkeit, Modularität und Skalierbarkeit sowie ihrer Rolle beim Übergang zu Netto-Null.

Dank unserer 228-jährigen Erfahrung haben wir gelernt, den Lärm auszublenden, Klugheit von Dummheit zu unterscheiden und inmitten von Widrigkeiten Chancen zu erkennen. Wir konzentrieren uns auf die besten verfügbaren Anhaltspunkte. Dadurch verschaffen wir uns Klarheit und können so die Welt überdenken und unsere Überzeugungen stärken. Erst dann investieren wir.