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Wie ausrichten auf das Netto-Null-Ziel?

Wie ausrichten auf das Netto-Null-Ziel?

 

Die Finanzinstitute verpflichten sich, ihre Kredit-, Anlage- und Versicherungstätigkeiten zu dekarbonisieren. Um die Auswirkungen dieser neuen Art der Kapitalallokation zu verstehen, sind jedoch neue Analyseinstrumente erforderlich. Welche neuen „Best Practices“ für die Messung der tatsächlichen Emissionsreduzierung zeichnen sich ab? Und wie sollten Anleger diese nutzen?

 

Gut zu wissen

  • Massnahmen zur Portfolioanpassung, wie z. B. der implizite Temperaturanstieg (ITR), schaffen einen Mehrwert und helfen, bestehende Herausforderungen zu verstehen.
  • Der Einsatz von Kapital ist notwendig, um über das vorhandene grüne Kapital hinauszugehen und bestehende Infrastrukturen anzupassen.
  • Die physischen Risiken des Klimawandels sind ein wichtiger Aspekt, aber der Markt unterschätzt das Ausmass der Haftungsrisiken
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In der ersten Ausgabe der Zero Hour Sessions von LOIM erläuterte Tanguy Séné, Manager beim COP26 Private Finance Hub und Mitglied des Portfolio Alignment Teams (PAT), wie Kennzahlen für die Portfolioausrichtung Mehrwert schaffen und zum Verständnis bestehender Herausforderungen beitragen wie der folgenden:

  • Die aktuellen Emissionen einer bestimmten Gegenpartei geben kein vollständiges Bild ab
  • Nicht jede Gegenpartei muss oder kann in gleichem Masse dekarbonisieren, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen
  • Beteiligungsverkäufe allein werden kaum eine Dekarbonisierung erreichen, die ausreicht, um Netto-Null zu erzielen

Diese Kennzahlen sind auch von wesentlicher Bedeutung bei der Anwendung der aktualisierten Leitlinien der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) für den Finanzsektor. Entsprechend diesen Leitlinien sollten alle Finanzinstitute die Ausrichtung ihrer Aktivitäten auf eine globale Erwärmung von deutlich unter 2 °C bis 2050 beschreiben.

Die TCFD beauftragte das PAT mit der Erstellung eines Berichts über „Best Practices“ und die Identifizierung künftiger Forschungsbereiche. Der Bericht des PAT unterstützt die Entwicklung von Instrumenten zur Portfolioausrichtung, indem er sich mit folgenden zentralen Herausforderungen befasst:

  • Inkonsistenz der Ergebnisse verschiedener Instrumente für die Portfolioausrichtung
  • Lücken in der Daten- und Analyseumgebung, die verhindern, dass Instrumente zur Portfolioausrichtung ihr volles Potenzial ausschöpfen
  • Undurchsichtigkeit der Methoden

„Wir wollen die Blackbox öffnen, die Kompromisse aufzeigen und die zu treffenden Entscheidungen erklären, um zu sehen, was unter der Haube vor sich geht“, so Séné.

 

Temperaturausrichtung: immer wichtiger

Séné erläuterte die drei Kategorien von Kennzahlen für die Portfolioausrichtung sowie deren Vor- und Nachteile.

  • Die binäre Zielmessung ist das einfachste Modell, bei dem der Prozentsatz der Anlagen oder Gegenparteien mit erklärten Netto-Null-Zielen im Mittelpunkt stehen
  • Das Benchmark-Divergenz-Modell misst die zu erwartende Performance im Vergleich zu normativen Benchmarks
  • Kennzahlen wie der implizierte Temperaturanstieg (ITR) entwickeln sich zu aussagekräftigen neuen Methoden zur Analyse von Portfolios und ermöglichen eine detailliertere Analyse des Emissionsverlaufs von Unternehmen

„[ITRs] übersetzen die Ausrichtung – oder möglicherweise die mangelnde Ausrichtung – ausschliesslich auf der Grundlage einer Temperatur. Würde sich die Weltwirtschaft wie mein Anlageportfolio verhalten, wie hoch wäre dann der wahrscheinliche Grad der globalen Erwärmung? Diese Methode ist sehr intuitiv und kann mit verschiedenen Szenarien wie dem Pariser Abkommen oder dem Business-as-usual-Szenario verglichen werden“, erklärte Séné.

Wir wollen die Blackbox öffnen, die Kompromisse aufzeigen und die zu treffenden Entscheidungen erklären, um zu sehen, was unter der Haube vor sich geht“, so Séné.

 

Séné griff weiter eine Reihe von Empfehlungen aus dem Bericht zu wichtigen Gestaltungsentscheidungen und „Best Practices“ auf. Beispielsweise empfiehlt das PAT die Schaffung granularer Dekarbonisierungs-Benchmarks, um reale Unterschiede in der erwarteten Emissionsreduzierung zwischen Branchen oder Regionen zu erfassen.

Das PAT befürwortet zudem die Einbeziehung von Scope-3-Emissionenfür Sektoren, in denen die Reduzierung von Emissionen der Lieferkette oder aus dem Verbrauch essenziell ist, wie beispielsweise in der Automobilindustrie, sowie die Ausweitung der Scope-3-Abdeckung, sobald bessere Daten zur Verfügung stehen.

„Angesichts der vielen Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, lohnt es sich, die Entwicklung derartiger Kennzahlen voranzutreiben. Denn dies sind die einzigen Instrumente, die ein realistisches, wissenschaftlich fundiertes Dashboard für den Weg zu Netto-Null liefern können. Letztlich ermöglichen sie den Finanzinstituten, das zu tun, was im Kampf gegen den Klimawandel am wichtigsten ist, nämlich die Emissionen in jedem Sektor und an jedem Ort zu senken“, so Séné.

 

Unbequeme Wahrheiten im Wettlauf zum Netto-Null-Ziel

In der anschliessenden Podiumsdiskussion stellte Moderator Chris Kaminker, Group Head of Sustainable Investment bei LOIM, die Frage, welche Art von Konvergenz zu erwarten sei, wenn all diese Empfehlungen angenommen würden. Séné bezeichnete den Bericht des PAT als einen Schritt in Richtung „Lernen durch Praxis“.

„Es geht um Konvergenz, nicht um Harmonisierung. Es gibt einen grossen Spielraum für Anbieter in Bezug auf die anzuwendenden Ansätze, die nur ein wenig besser vergleichbar sind als bisher. Die Methoden sind heute auf dem Markt nur sehr schwer zu vergleichen. Wir hoffen, dass die Methoden konvergieren und die Entwicklung dieser Instrumente forcieren und sie gleichzeitig ein gewisses Mass an Innovation zulassen werden", erklärte er weiter.

Richard Manley, Head of Sustainable Investing beim Canada Pension Plan Investment Board, hob die Vorteile einer solchen Konvergenz hervor: „Die Möglichkeit, eine geprüfte Bewertung der nachgewiesenen, wahrscheinlichen und möglichen langfristigen Dekarbonisierungsfähigkeit eines Unternehmens zu erhalten, würde es uns erlauben, die Debatte von der Frage ,Sind Sie auf dem richtigen Weg?‘ zur Frage ,Wie und wann werden Sie das umsetzen, was Sie tun können?' zu verlagern.“

Kaminker bat die Podiumsteilnehmer zudem um ihre Einschätzung der derzeitigen Netto-Null-Ausrichtung der Realwirtschaft.

Paul Bodnar, Global Head of Sustainable Investing bei BlackRock, sagte, der Kapitaleinsatz müsse über grünes Kapital hinaus erweitert werden, um die bestehende Infrastruktur entsprechend den Zielen anzupassen.

„Ich denke, dass sich jeder Sektor und jede Region in die richtige Richtung bewegt. Die grundlegenden Herausforderungen sind die Gangart und Geschwindigkeit“, so Bodnar.

„Der Weg zu Netto-Null erfordert eine Umstellung der physischen Vermögenswerte der Wirtschaft. Das Problem besteht darin, dass diese Vermögenswerte für eine lange Lebensdauer konzipiert wurden. Die Bewältigung dieses Übergangs erfordert mehr als nur Reinvestitionen. Wir können nicht eine grüne Wirtschaft auf einer schmutzigen aufbauen und dabei auf Erfolg hoffen. Die Lösung bedingt auch, dass wir herausfinden, was mit den Altlasten in jedem dieser Sektoren geschehen soll.“

Die Podiumsteilnehmer wurden auch aufgefordert, darüber nachzudenken, ob eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter 1,5 °C noch möglich sei.

Bodnar sagte, der Erreichung dieses Ziels würden noch Hindernisse im Wege stehen: „Es gibt zwei Arten von Diskrepanzen. Die eine ist die zwischen den Zusagen von Regierungen und Unternehmen und dem Ziel von 1,5 °C. Die zweite Diskrepanz besteht zwischen den Versprechen und der Umsetzung. Wir befinden uns derzeit auf einem Pfad zu 2,7 °C. Diese Diskrepanzen müssen wir beheben – und zwar schnell.

„Wird die Realwirtschaft nicht entsprechend ausgerichtet, können die Portfolios nicht in grossem Umfang anpasst werden. Wenn man einen breit angelegten Index und das investierbare Universum betrachtet, und nur Unternehmen wählt, die sich heute am Pariser Abkommen orientieren, würde man rund 65% des investierbaren Universums ausschliessen. Gefragt sind Engagement sowie die Schaffung eines Dreiecks aus Ambitionen und Massnahmen von Regierungen, Finanzakteuren und Unternehmen.“

Kaminker fragte die Podiumsteilnehmer weiter, ob es „Patentrezepte“ für die Dekarbonisierung gebe.

Thomas Höhne-Sparborth, Head of Sustainability Research bei LOIM, sagte, es bestehe grosse Unsicherheit darüber, wie die Welt das Netto-Null-Ziel umsetze.

„Wir können Netto-Null durch eine Reihe von Massnahmen erreichen, einschliesslich aggressiver Investitionen in Elektrifizierung, Kohlenstoffabscheidung oder die Wasserstoffwirtschaft. Wir können darüber diskutieren, welches Szenario das wahrscheinlichste ist, aber wir müssen uns nicht darauf einigen; vielmehr müssen wir unsere Portfolios auf all diese Szenarien hin testen.“

Kaminker fragte die Podiumsteilnehmer weiter nach ihren Ansichten über das Ausmass der physischen Risiken aufgrund des Klimawandels.

Höhne-Sparborth: „Selbst wenn wir bis 2050 Netto-Null erreichen, sind physische Risiken noch immer ein grosses Thema. Was übersehen wird, sind die Haftungsrisiken. Physische Risiken sind eine Komponente; der Markt unterschätzt jedoch das Ausmass der Haftungsrisiken. Es kommt bereits vor, dass Unternehmen verklagt werden, weil sie es versäumten, ihre Infrastruktur anzupassen. Wir haben erlebt, wie Unternehmen wegen historischer Emissionen belangt wurden. Wir fangen gerade erst an, das potenzielle Ausmass des Haftungsrisikos zu begreifen, und wir glauben, dass dies ein grosser blinder Fleck und ein Hauptbereich ist, auf den wir uns konzentrieren müssen.

Ausserdem wurden die Podiumsteilnehmer gefragt, welche Möglichkeiten sie für die Finanzierung grüner Investitionen sehen.

Höhne-Sparborth: „Diese Kennzahlen, die wir nannten, messen, wie schnell die eigenen Emissionen eines Portfolios sinken. Wenn Sie einen Lösungsanbieter haben, der Windturbinen herstellt, haben Sie vielleicht ein Unternehmen, dessen Emissionen ziemlich schnell ansteigen. Wenn wir hundertmal so viele Windturbinen produzieren, wird die Herstellung dieser Anlagen mehr Emissionen verursachen. Das macht diese Unternehmen nicht zu einer schlechten Wahl, und wir wollen in diese Unternehmen investieren, weil sie zur Dekarbonisierung der übrigen Wirtschaft beitragen.

„Um diesen Übergang zu vollziehen, müssen wir die Investitionen radikal erhöhen. Wir müssen sicherstellen, dass wir ausreichend Kapital für diese Lösungen bereitstellen.“

 

Quellen

 Scope-1-, -2- und -3-Emissionen werden im Wesentlichen wie folgt definiert:

•    Scope 1: umfasst alle Emissionen, die der direkten Kontrolle des Unternehmens selbst unterliegen, in der Regel also die Emissionen der Gebäude, Einrichtungen und Fahrzeuge des Unternehmens
•    Scope 2: Emissionen, die bei der Erzeugung von Strom, Wärme, Dampf und Kühlung entstehen, die ein Unternehmen von Dritten bezieht
•    Scope 3: Emissionen im Zusammenhang mit der weiteren Lieferkette und dem Lebenszyklus der Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens 

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