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Zeit für aggressive Investitionen in erneuerbare Energien

Zeit für aggressive Investitionen in erneuerbare Energien

Europa befindet sich in einer Energiekrise. Die politischen Entscheidungsträger sollten auf die Gaskrise mit aggressiven Investitionen in die Wind- und Solarindustrie reagieren.

Im Oktober 2021 waren die europäischen Gaspreise gegenüber dem Niveau vom Jahresanfang um rund 500% gestiegen. In Grossbritannien kletterten die Preise, die zu Jahresbeginn bei 60 Pence pro Therm1 gelegen hatten, innerhalb von 24 Stunden um 37% und erreichten bis zu 400 Pence pro Therm. Den Prognosen zufolge dürften sich die Energierechnungen im nächsten Jahr um bis zu 30% erhöhen, während bis zum 18. Oktober 2021 sechzehn kleinere Energieversorger am britischen Markt aufgrund der steigenden Kosten Konkurs anmelden mussten.

Die Krise stellt einen Wendepunkt der Energiepolitik dar und wird von manchen auf den derzeitigen Wandel im Energiesektor zurückgeführt. Höchstwahrscheinlich ist sie jedoch das Ergebnis von Angebot und Nachfrage, geografischen und politischen Faktoren, und nicht nur der steigenden Kohlenstoffkosten2. Zu diesen Faktoren gehören niedrige Gasspeicherbestände, geringere Gaslieferungen aus bestimmten Regionen, ein Lieferengpass bei Flüssigerdgas (LNG) aufgrund der hohen Nachfrage aus Asien nach der Entscheidung Chinas, die Einfuhr australischer Kohle nach einem politischen Streit zu verbieten, sowie eine meteorologisch bedingte aussergewöhnlich geringe Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Europa.

Auch wenn im Zuge des weltweiten Umbaus des Energiesystems wahrscheinlich kurzfristige Wachstumsschmerzen unvermeidbar sind, könnte man die extreme Volatilität der Gaspreise als Folge der zu geringen Investitionen in saubere Energien und damit verbundene Energiespeichertechnologien betrachten. Je mehr erneuerbare Energien und Speicherkapazitäten bereitgestellt werden, desto geringer ist der Bedarf an fossilen Energieträgern wie LNG oder Kohle, um den Übergang zu bewältigen.

Unseres Erachtens müssten die politischen Entscheidungsträger daher mit aggressiven Investitionen in die Wind- und Solarindustrie auf die Gaskrise reagieren. Erneuerbare Energien sind inzwischen keine teure Energiequelle mehr. Im Gegenteil: Die Kosten für Wind- und Solarenergie sanken in den letzten zehn Jahren – dank grösserer, effizienterer Windturbinen sowie der Automatisierung in der Herstellung von Solarprodukten – um 60% bzw. 80%. Der Ausbau der Wind- und Solarkapazitäten kann die Umstellung von Gas auf Elektrizität in Haushalten, in der Industrie und bei der Stromerzeugung fördern und die wachsende grüne Wasserstoffindustrie unterstützen.

Erneuerbare Energiequellen wie Wind- und Solarenergie sind auf lange Sicht von Natur aus deflationäre Kräfte. Die Untersuchungen der Internationalen Energieagentur (IEA) zu diesem Thema sind eindeutig. Im Rahmen ihres Netto-Null-Szenarios schätzt die IEA, dass die Kosten für Strom aus Gas in den nächsten 10 bis 30 Jahren in allen Regionen steigen werden, derweil die Kosten für Solar- und Offshore-Windkraft am stärksten sinken dürften. Abgesehen von diesem direkten Kostenargument ist eine Erhöhung der Kapazitäten für Wind- und Solarenergie nötig, wenn bis 2050 der Netto-Nullpunkt erreicht werden soll. Nach Angaben von Bloomberg New Energy Finance (BNEF) müssen bis 2030 weltweit jährlich 505 Gigawatt an neuer Windenergie (das 5,2-Fache der Gesamtkapazität von 2020) und 455 Gigawatt an Solar-PV (das 3,2-Fache der Gesamtkapazität von 2020) bereitgestellt werden. Ein solcher Elektrifizierungsprozess könnte die Energie- und Brennstoffrechnungen der Haushalte um bis zu 50% senken, so eine Studie von Goldman Sachs3.

Die Entscheidungsträger sollten ihr politisches Kapital darauf verwenden, die Öffentlichkeit zu informieren, dass erneuerbare Energien die Energieversorgung in Zukunft zuverlässiger und erschwinglicher machen werden, und nicht umgekehrt. Sie müssen erkennen, dass erneuerbare Energien die Lösung sind, nicht das Problem, und dass die Energiewende eine langfristige Perspektive erfordert. Die Regierungen sollten gleichzeitig die Energiemärkte umgestalten, um die Schwankungen von Wind und Sonne abzufedern, beispielsweise durch den Ausbau von Speichertechnologien, die einen vergleichbaren Kostenrückgang zeigten, und durch Investitionen in die Stromübertragung anstatt in fossile Anlagen wie bisher.

Gemeinsam vermögen die erneuerbaren Energien einen wachsenden Anteil des weltweiten Energieverbrauchs zu decken, und dies sauberer und kostengünstiger als die fossilen Energieträger. Der IEA zufolge ist bis 2030 mit einer deutlichen Verlangsamung (bzw. einem Rückgang in einem Netto-Null-Szenario) der Nachfrage nach Öl- und Gasenergie und einem enormen Anstieg der Produktion von Wind- und Sonnenenergie zu rechnen. Diese Dynamik wird innerhalb der Weltwirtschaft Gewinner und Verlierer hervorbringen. Länder, die gut positioniert sind, um technologisch anspruchsvolle Produkte herzustellen, die für die Erzeugung und Lieferung von Wind- und Solarenergie erforderlich sind, werden von der Umstellung profitieren. Hingegen laufen diejenigen, die von den Einnahmen aus dem Export fossiler Brennstoffe abhängig sind, Gefahr, mit Stranded Assets ("gestrandeten Vermögenswerten") dazustehen. Auch die Unternehmenslandschaft des Energiesektors, von den Grundstoffen über die Energieerzeugung bis hin zur Energieversorgung, wird sich radikal verändern.

 

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Quellen

[1] Ein Therm entspricht 100’000 BTU (British Thermal Unit) – ein BTU ist die Wärmemenge, die benötigt wird, um die Temperatur von einem Pfund Wasser um ein Grad Fahrenheit zu erhöhen.
[2] Von Januar bis November 2021 verdoppelte sich der EU-Kohlenstoffpreis  (https://ember-climate.org/data/carbon-price-viewer/), während sich die EU-Gaspreise im selben Zeitraum vervierfachten. (https://www.euronews.com/2021/10/28/why-europe-s-energy-prices-aresoaring-and-could-get-much-worse)
[3] Alberto Gandolfi et al., „Energy costs and affordability: who pays for Net Zero?“ Goldman Sachs Research, 5.9 (2021), 56

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