Was signalisiert der grosse Zinsschritt in der Schweiz?

Markus Thöny - Head of Swiss Fixed Income
Markus Thöny
Head of Swiss Fixed Income
Philipp Burckhardt, CFA - Fixed Income Strategist and Senior Portfolio Manager
Philipp Burckhardt, CFA
Fixed Income Strategist and Senior Portfolio Manager

Kernpunkte.

  • Mit einer deutlichen Zinssenkung hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Markt überrascht und die Diskussion über Negativzinsen neu entfacht
  • Die jüngsten geldpolitischen Erklärungen der Nationalbank zeigen, wie sie ihre Signale verstärkt und abgeschwächt hat, auch in Bezug auf ihre Pläne für Interventionen am Devisenmarkt
  • Die unsicheren globalen Aussichten dürften die weiteren Schritte sowie den geldpolitischen Mix bestimmen

SNB verstärkt Dringlichkeit mit deutlicher Zinssenkung

Die Schweizerische Nationalbank hat an ihrer Sitzung im Dezember die Zinsen unerwartet stark gesenkt und damit erneut ihre Vorliebe bekräftigt, den Markt zu überraschen.

Unter Verweis auf einen rückläufigen Inflationsdruck senkte die Nationalbank die Zinsen um 50 Basispunkte (Bp.) auf 0,50%. Die Mehrheit der Analysten hatte einen kleineren Zinsschritt von 25 Bp. erwartet. Diese Zinssenkung stellt eine Abweichung von den üblichen Anpassungsschritten von 25 Bp. dar. Damit signalisiert die Notenbank die Dringlichkeit und die Notwendigkeit, entschlossen zu handeln, um zu verhindern, dass die Inflation den Zielbereich verlässt.

Die SNB verfolgt das Ziel, den Schweizer Franken durch die Aufrechterhaltung des Zinsdifferenzials zur Eurozone und den USA unattraktiv zu halten. Sie hat also hiermit auch innerhalb ihres Mandats die expansiven Signale der September-Sitzung bestätigt, an welcher der Weg für weitere Zinssenkungen frei gemacht wurde.

Signalsetzung in drei Akten

Die letzten drei Stellungnahmen der SNB verdeutlichen, wie die Nationalbank ihre Signale gezielt verstärkt bzw. abgeschwächt hat. So erklärte die Nationalbank bei der Zinssenkung im Juni 2024 in ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung, dass sie die Inflationsentwicklung genau beobachten und die Geldpolitik „wenn nötig“ weiter anpassen werde. Im September führte die Lagebeurteilung dann jedoch zu einer Verstärkung der Absichten der SNB, die klarmachte: „In den nächsten Quartalen können weitere Zinssenkungen erforderlich werden, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten.“ Zuletzt griff die Nationalbank bei ihrer Dezember-Beurteilung – und nach Zinssenkungen um 100 Bp. an nur drei Sitzungen – wieder die weniger verbindliche Rhetorik vom Juni auf: Die Lage werde beobachtet und die Geldpolitik wenn nötig angepasst.

In der Vergangenheit hat die SNB immer wieder gerne den Überraschungseffekt als Instrument genutzt, um die Wirksamkeit ihrer Politik zu erhöhen – und zwar sowohl bei unerwartet grossen Zinsschritten als auch beim „Franken-Schock“ im Jahr 2015, als der Mindestkurs zum Euro völlig unerwartet aufgehoben wurde. Auch der Beginn der Zinserhöhungen im Jahr 2022 und der Zinssenkungen im Jahr 2024 kam zum gewählten Zeitpunkt jeweils überraschend.

Lesen Sie auch: Was waren die Gründe für die unerwartete Senkung der Schweizer Zinsen? 

Die durchschlagende Wirkung grösserer Zinsschritte

Nach seiner ersten Sitzung als SNB-Präsident sagte Martin Schlegel, der grössere Zinsschritt stelle sicher, dass die Inflation mittelfristig im Zielbereich bleibe und die Nationalbank ihr Mandat der Preisstabilität erfülle.

Eine rasche Zinssenkung um 50 Bp. dürfte bedeuten, dass die SNB insgesamt weniger Kürzungen vornehmen muss. Grössere Zinsschritte ermöglichen es den Notenbanken, aggressiv und entschlossen vorzugehen, was wiederum den Bedarf an zukünftigen Anpassungen verringert. Dies war der Fall bei den Zinserhöhungen in den USA im Jahr 2022. Damals entschloss sich die US-Notenbank Fed zu mehreren, im Vergleich zu früheren Straffungen relativ grossen Schritte zu je 75 Bp.  

Am Markt gab es Spekulationen, dass die Schweizer Zinsen wieder in den negativen Bereichen rutschen könnten. Hierzu erklärte der neue SNB-Präsident, die Zinssenkung im Dezember sollte die Inflationsprognose der Nationalbank stabilisieren und die Wahrscheinlichkeit weiterer Zinssenkungen auf unter Null reduzieren.

Obwohl die SNB „keine Negativzinsen mag”, wird man sie laut Schlegel „bei Bedarf“ erneut einsetzen. 

Disinflationäre Kräfte am Werk

Welche Preisentwicklung war ausschlaggebend für die Zinslockerung der SNB?

Getrieben wurde die Entscheidung der Nationalbank durch die Aussicht auf weitere disinflationäre Kräfte im Jahr 2025. Für das neue Jahr wird ein Rückgang der Energiepreise erwartet, der die Inflation weiter dämpfen könnte. Auf dem Immobilienmarkt wird der hypothekarische Referenzzinssatz, der zur Festlegung der Mietpreise in der Schweiz herangezogen wird, den Erwartungen zufolge parallel zu den Hypothekenzinsen ebenfalls sinken. Dies würde zu einem Rückgang der Mieten im neuen Jahr führen und den Abwärtsdruck auf die Preise weiter erhöhen.

Abb. 1: Schweizer Hypothekenzinsen gegenüber dem Referenzzinssatz1

Wie immer spielte auch die Währung eine entscheidende Rolle. Die SNB bekräftigte, dass die Entwicklung des Schweizer Frankens „ein wichtiger Faktor“ bleibe und dass sie weiterhin bereit sei, bei Bedarf am Devisenmarkt einzugreifen. Gleichzeitig wies sie jedoch darauf hin, dass Zinssenkungen das „Hauptinstrument“ blieben, falls die Geldpolitik weiter gelockert werden müsste.

Die Nationalbank wollte zudem offenbar ihre Entschlossenheit zeigen, keine weitere Währungsaufwertung zu tolerieren und möglichen Spekulationen an den Devisenmärkten frühzeitig einen Riegel vorzuschieben. Eine stärkere Zinssenkung nimmt unserer Meinung nach den unmittelbaren Druck von der SNB, am Devisenmarkt zu intervenieren, und schützt ihre Bilanz vor einer weiteren Ausweitung. Die Wortwahl der Nationalbank lässt zudem darauf schliessen, dass sie künftig mehr auf geldpolitische Massnahmen als auf Devisenmarktinterventionen zurückgreifen wird.

Eine expansive Zinspolitik in unsicheren Zeiten

Bei 0,50% sehen wir die Schweizer Zinsen am unteren Rand des „neutralen“ Bereichs und damit leicht expansiv. Anders sieht es in der Eurozone und den USA aus, wo sich die Zinsen nach wie vor im restriktiven Bereich befinden. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat an ihrer Dezember-Sitzung die Zinsen um 25 Bp. gesenkt und frühere Aussagen weggelassen, wonach die Leitzinsen so lange wie erforderlich restriktiv gehalten würden. Sollten die Zinsen in der Eurozone weiter sinken, wird die SNB bestrebt sein, eine mögliche Aufwertung des Frankens zu verhindern.

Die SNB beendet das Jahr, indem sie ihre expansive Linie fortsetzt und mit einer unerwartet starken Zinssenkung dafür sorgt, dass das Momentum auf ihrer Seite bleibt. Mit Blick auf die Zukunft sind die globalen Aussichten bedingt durch die neue Trump-Regierung in den USA, Handelskonflikte, geopolitische Risiken und die wirtschaftliche Eintrübung in der Eurozone weiterhin unsicher. Diese Faktoren könnten potenziell einen negativen Effekt auf die Schweizer Wirtschaft haben und die Währung stärken. Auch wenn die SNB offensichtlich keine Negativzinsen mag, würde sie unseres Erachtens auf entsprechende Entwicklungen vorrangig mit Zinssenkungen reagieren. Ergänzen dürfte sie den geldpolitischen Mix durch Interventionen am Devisenmarkt, falls die Zinsen in den negativen Bereich rutschen oder die Aufwertung des Schweizer Frankens an Tempo gewinnt. 

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1 Quelle
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1 Quelle: SIX, BWO, SNB, Berechnungen von LOIM. Daten per 17. Dezember 2024. Nur zur Veranschaulichung. Der SARON (Swiss Average Rate Overnight) ist der Overnight-Zinssatz des besicherten Geldmarktes für Schweizer Franken (CHF).

Wichtige Hinweise.

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