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Marktkonzentration: Können aktive Manager für Diversifikation sorgen?

Marktkonzentration: Können aktive Manager für Diversifikation sorgen?
Pascal Menges - CLIC Equities, CIO Office

Pascal Menges

CLIC Equities, CIO Office
Florian Ielpo, PhD - Head of Macro, Multi Asset

Florian Ielpo, PhD

Head of Macro, Multi Asset

Die Aktienindizes in den USA und weltweit weisen heute eine stärkere Konzentration auf als zu irgendeinem Zeitpunkt in den letzten 30 Jahren. Und nach wie vor fliesst unablässig Kapital in passive Strategien. Die Aktienmärkte lassen Anzeichen extremer Bewertungsanomalien erkennen. Konzentrieren sich die Anlegerinnen und Anleger deshalb auf passive Strategien, die paradoxerweise eine immer höhere Konzentration aufweisen? Und entgehen ihnen dadurch attraktive Chancen, die sich aus der aktuellen Dynamik an den Märkten ergeben?

 

Gut zu wissen:

  • Mit nur 10% effektiven Aktien weisen die Aktienindizes in den USA und weltweit gemäss unserer Analyse die stärkste Konzentration seit 1990 auf
  • Dennoch fliesst das Anlagekapital weiterhin bevorzugt in passiv statt in aktiv verwaltete Produkte
  • Die Bewertungsunterschiede in den GICS-Industriesektoren und über alle Marktkapitalisierungen hinweg waren in den letzten 30 Jahren selten so hoch wie heute. Daraus ergeben sich Chancen, die passive Instrumente wahrscheinlich nicht nutzen werden
  • Nach unserer Ansicht sollten Anlegerinnen und Anleger eine Diversifikation abseits stark konzentrierter passiver Strategien in Betracht ziehen. Dafür eignen sich aktive Lösungen, die sich an die Marktlage anpassen, Diversifikation bieten und wertorientierte Chancen nutzen können

 

Ein Diversifikationsparadox?

Welche Titel die Entwicklung von Aktienindizes massgeblich bestimmen, ist in diesem Jahr ein viel diskutiertes Thema. Ende Oktober hatten die „Glorreichen Sieben“ der extrem hoch kapitalisierten US-Technologieaktien eine Gesamtmarktkapitalisierung erreicht, die rund 18% der Kapitalisierung des MSCI World entsprach. Sie waren zudem für etwa 80% der Gesamtrendite am Aktienmarkt der Industrieländer verantwortlich. Dies wirft eine wichtige Frage auf: Weist der Aktienmarkt nun eine so hohe Konzentration auf, dass es ihm paradoxerweise an Diversifikation mangelt?

 

Die Konzentration messen

Eine gute Möglichkeit, um die Diversifikation in einem Portfolio zu messen, ist die Berechnung der Anzahl der effektiven Aktien. Diese Methode ist auch auf einen Index anwendbar. Intuitiv könnte man den MSCI World, der rund 1’500 Unternehmen umfasst, für sehr stark diversifiziert halten. Leider ist diese Zahl jedoch irreführend; viel wichtiger ist, wie stark die einzelnen Aktien gewichtet sind.

Der Herfindahl-Hirschman-Index – die Summe der quadrierten Gewichtungen in einem Portfolio – ist ein einfaches Mass zur Beurteilung der Konzentration. Anhand des Kehrwerts dieses Indexwerts lässt sich die Anzahl der effektiven Aktien eines Portfolios berechnen. Um diesen Ansatz zu veranschaulichen, vergleichen wir drei fiktive Portfolios:

  • Portfolio A: fünf Aktien, alle gleichgewichtet
  • Portfolio B: fünf Aktien, eine mit 90% gewichtet, der Rest gleichmässig auf die übrigen Aktien verteilt
  • Portfolio C: zehn Aktien, gleicher Gewichtungsansatz wie bei Portfolio B

Wenn wir den Herfindhal-Hirschman-Index auf diese theoretischen Portfolios anwenden, stellen wir fest, dass Portfolio A am stärksten diversifiziert wäre. Dagegen wäre die Diversifikation der Portfolios B und C trotz der unterschiedlichen Anzahl an Aktien ähnlich gering.

 

GRAFIK 1. Konzentration von drei fiktiven Portfolios auf Basis des Herfindhal-Hirschman-Index

 

Portfolio A

Portfolio B

Portfolio C

Anzahl Aktien

5

5

10

Gewichtungsansatz

Gleiche Gewichtung aller Aktien

90% in einer Aktie, alle anderen Aktien gleichgewichtet

90% in einer Aktie, alle anderen Aktien gleichgewichtet

Herfindhal-Hirschman-Index

 

5*(20%)^2 = 0,2

1*(90%)^2+4*(2,5%)^2 = 0,8125

1*(90%)^2+9*(1,11%)^2 = 0,8111

Anzahl der effektiven Aktien

1/0,2 = 5

 

1/0,8125 = 1,231

 

1/0,8111 = 1,233

 

Quelle: LOIM, per November 2023. Nur zur Veranschaulichung.

 

Derselbe Ansatz ist auf die grossen Aktienindizes für die USA, Europa, Japan und die globalen Industrieländer anwendbar, um die jeweiligen Konzentrationsgrade zu berechnen. Aufgrund der unterschiedlichen Anzahl an Unternehmen in den einzelnen Märkten haben wir für jeden Index zunächst die Anzahl der effektiven Aktien berechnet. Anschliessend haben wir sie durch die Gesamtzahl der Indexkomponenten dividiert. Auf diese Weise ist die Analyse über alle Regionen und Zeiträume hinweg vergleichbar.

Die Ergebnisse sind verblüffend. Wir heben zwei wesentliche Erkenntnisse hervor:

  1. Die Konzentration am US-Aktienmarkt ist auf dem höchsten Stand seit 30 Jahren. Im MSCI USA Index beträgt der Anteil der effektiven Aktien 10%, also 60 Unternehmen. Dies ist der niedrigste Wert seit 1990 (siehe Grafik 2).
  2. Durch die Konzentration am US-Markt hat die Diversifikation im Index für weltweite Aktien abgenommen. Die Gewichtung von US-Aktien im MSCI World ist von rund 30% Anfang der 1990er-Jahre auf heute 70% gestiegen. Infolge des höheren Konzentrationsgrads im US-Markt hat sich die Diversifikation im weltweiten Aktienindex massiv verringert. Weltweit sind aktuell nur noch 10% der Aktien bzw. 150 Unternehmen effektive Aktien.

 

GRAFIK 2. Effektive Aktien in den USA, Europa, Japan und den weltweiten Aktienindizes

Quelle: Berechnungen von LOIM, per November 2023. Nur zur Veranschaulichung.

 

Effektive Aktien in den USA, Europa, Japan und den weltweiten Aktienindizes

Marktkonzentration: ein entscheidender Faktor für aktive statt passiver Anlagen

Sind die Bedingungen angesichts dieses Konzentrationsphänomens besonders günstig für aktive Manager? Mit zunehmender Marktkonzentration entwickelten sich gleichgewichtete Indizes in den letzten Jahren gewöhnlich schwächer als entsprechende nach Marktkapitalisierung gewichtete Indizes. Solche Situationen, in denen die Entwicklung an den Märkten von einer deutlich reduzierten Anzahl von Aktien bestimmt wird, sind für aktive Manager in der Regel schwierig.

Laut einer Analyse von S&P Dow Jones Indices, die den Fokus auf die Entwicklung des S&P 500 Equal Weight Index legte, trifft jedoch auch das Gegenteil zu. Danach galt in den letzten beiden Jahrzehnten im Durchschnitt: „Je mehr der S&P 500 Equal Weight Index in der Vergangenheit den S&P 500 übertraf, umso mehr übertrafen aktiv verwaltete Fonds den S&P 500“. Das legt nahe, dass aktive Fonds in Phasen profitieren, in denen sich gleichgewichtete Indizes besser entwickeln als nach Marktkapitalisierung gewichtete Indizes.

Wir könnten aktuell an einem Wendepunkt angelangt sein. Wenn die Konzentration extreme Werte erreicht und sich stabilisiert, können gleichgewichtete Indizes nach und nach eine Outperformance erzielen – wie zu Beginn und in der Mitte der 2000er-Jahre (siehe Grafik 3).

 

GRAFIK 3. Relative Performance des gleichgewichteten und des nach Marktkapitalisierung gewichteten S&P 500 Index, verglichen mit dem Prozentsatz der effektiven Aktien 

Quelle: Berechnungen von LOIM, per November 2023. Nur zur Veranschaulichung.

 

In den letzten Jahren haben Manager passiver Aktienfonds höhere Kapitalzuflüsse erzielt als aktive Manager. In den USA ist dieser Trend besonders ausgeprägt (siehe Grafik 4). Es ist fraglich, ob sich die Konzentration am Aktienmarkt dadurch erhöht hat oder ob das Gegenteil zutrifft. Ein zentrales Ergebnis steht jedoch fest: Da sich die Aktienengagements auf eine historisch geringe Zahl von effektiven Aktien konzentrieren, sind immer mehr Anlegerinnen und Anleger nicht so gut diversifiziert, wie sie vielleicht glauben.

 

GRAFIK 4. Vermögen von US-Aktienfonds: aktive vs. passive Fonds 

Quelle: Morningstar Direct, per November 2023. Nur zur Veranschaulichung.

 

Extreme Konzentration bietet Chancen

Aktienanleger – vor allem jene, die in passiven Strategien investiert sind – sollten sich nicht nur fragen, wie gut diversifiziert ihre Anlagen tatsächlich sind. Sie sollten auch ein Auge darauf haben, wie gut sie Chancen abseits der geringen Zahl von effektiven Aktien nutzen.

Die Märkte weisen heute über alle GICS-Industriezweige hinweg extremere Bewertungsunterschiede auf als Anfang 2000. Diese Unterschiede sind auch in den verschiedenen Marktkapitalisierungssegmenten erkennbar. Alle Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von weniger als USD 100 Mrd. sind nach historischen Massstäben günstig bewertet (siehe Grafiken 5 und 6). Daraus ergibt sich ein klares Fazit: Aktienportfolios auf Basis von immer stärker konzentrierten passiven Strategien könnten Chancen verpassen, die diese extremen Bewertungsanomalien innerhalb von Branchen und Marktkapitalisierungssegmenten bieten.

 

GRAFIK 5. Monatliche Standardabweichung der Kurs-Buchwert-Verhältnisse der GICS-Industriezweige (MSCI World Index), gleitender 12-Monats-Durchschnitt

Quelle: Berechnungen von LOIM, per November 2023. Nur zur Veranschaulichung.

 

GRAFIK 6. Historischer Aufschlag/Abschlag im Kurs-Buchwert-Verhältnis nach Marktkapitalisierungssegmenten (MSCI World Index)

Quelle: Berechnungen von LOIM, per November 2023. Nur zur Veranschaulichung.

 

Die Lage wird sich ändern

Welche Art von gesamtwirtschaftlicher Situation führt gewöhnlich zu einer Abnahme – oder sogar Umkehr – dieser Outperformance von konzentrierten Indizes? Grafik 7 vergleicht die durchschnittliche relative Performance des gleichgewichteten und des nach Marktkapitalisierung gewichteten S&P 500 Index für vier verschiedene US-Szenarien: Rezession, Inflation, überraschende Zinserhöhungen und Wachstum.1 Die Analyse beruht auf Daten von 1990 bis 2020 und schliesst den jüngsten Straffungszyklus daher nicht mit ein.

 

GRAFIK 7. Durchschnittliche annualisierte Überperformance: gleichgewichteter vs. nach Marktkapitalisierung gewichteter S&P 500 Index in verschiedenen gesamtwirtschaftlichen Szenarien (1990-2020)

Quelle: Bloomberg, LOIM per November 2023.

 

Diese Analyse zeigt, dass sich der gleichgewichtete Index in den letzten drei Jahrzehnten in Straffungszyklen gewöhnlich unterdurchschnittlich entwickelt hat. Das scheint auch aktuell der Fall zu sein. Im selben Zeitraum erzielte er jedoch in der Regel eine annualisierte Outperformance von 3,5% in Rezessions- und von beinahe 2% in Wachstumsphasen.

Die US-Notenbank beendet nach und nach ihren Straffungszyklus, und die Frage, ob es zu einer harten oder einer sanften Landung der Wirtschaft kommt, sorgt nach wie vor für Spekulationen. Unabhängig davon, ob die Wirtschaft in eine Rezession abrutscht oder zunächst einen leichten Abschwung gefolgt von Wachstum verzeichnet, haben sich die Aussichten für den gleichgewichteten Index – und aktive Manager – unseres Erachtens in letzter Zeit gebessert.

 

Quellen.

[1] Sammlung der übrigen historischen Daten

Wichtige Hinweise.

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